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Das aktuelle Wehklagen des Bäckerverbandes zum Thema Discounter löst bei mir sehr zwiespältige Gefühle aus: auf der einen Seite bin ich der letzte, der Lebensmittelindustrie und Supermarktketten übermäßig in Schutz nehmen möchte.
Denn der Begriff „Industrie“ im Zusammenhang mit Lebensmitteln erklärt eindrücklich das Problem der, na ja, Industrie. Und welches Menschenbild ein Händler hat, der seine Kunden ernsthaft mit dem Slogan „Gute Qualität erkennt man an guter Qualität“ anspricht, ist so nahe liegend wie niederschmetternd.
Auf der anderen Seite kommt mir das Vorgehen des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerkes doch reichlich absurd vor: LIDL und ALDI mit einer Begriffsdiskussion anzugehen, was denn nun „frisch backen“ bedeute, zeigt doch, dass ein großer Teil der Bäcker und ihrer Vertreter, vorsichtig formuliert, argumentativ auf schmalem Pfad unterwegs ist.
Bei uns im Ort gibt es kaum Bäcker, die noch selber, handwerklich und kreativ – sprich: mit selbst hergestelltem Teig, ohne Backmischungen – backen. Und denen rennen die Leute, trotz naturgemäß überdurchschnittlicher Preise, die Bude ein (bei meinen Eltern im Ort ist es übrigens exakt gleich).
Die meisten anderen, über die großen Ketten hinaus übrigens auch die kleinen Bäcker, setzen schön verschnarcht und unmotiviert auf Backmischungen und wundern sich, warum ihnen die Kunden Richtung Discounter und Backshops weg laufen. Dabei ist der Zusammenhang doch sonnenklar: wenn ich den gleichen Schrott woanders für den halben Preis bekomme, dann gehe ich halt da hin. Fertig.
Auf diese Entwicklung gibt es, nach meiner Auffassung, zwei vernünftige Reaktionen. Erstens: beim o.g. handwerklichen Bäcker einkaufen. Zweitens: Brot selber backen…
Brot selber backen ist eine sehr gute Idee. Selbst als Neuling kann man mit wenig Erfahrung und Hardware tolle Ergebnisse produzieren. Die notwendige Hardware ist übersichtlich, das meiste selbstgebackene Brot hält länger und man weiß sicher, was drin ist, z.B. kein Zucker, keine Enzyme und keinen eigenartigen Emulgatoren.
Hier meine bisherigen Erfahrungen kurz und knapp:
Quellen
Sehr empfehlenswerte Quellen sind die nachfolgenden vier Blogs, die Rezepte und Hintergrundinformationen in Hülle und Fülle und überwiegend systematisch bereitstellen.
Hardware
Ich habe sehr lange weder Garkörbchen noch Backerleinen besessen. Die unbedingt erforderliche Hardware ist überschaubar: prinzipiell braucht man nicht einmal eine Küchenmaschine, denn selbst für die so genannten No Knead-Breads gibt es im Netz ausreichend Rezepte. Wer jedoch ernsthaft Brot backen will, kommt um etwas Kitchen Aid-artiges oder einen Thermomix nicht herum.
Das zweite, unbedingt notwendige, Gerät, ist ein Pfennigsartikel, nämlich: ein Teigschaber bzw. eine Teigschaberkarte. Wenn der Teig nämlich (noch) klebrig ist, kann einen das Kneten bzw. Dehnen und Falten schier in den Wahnsinn treiben. Der Plastikschaber ist dann eine unglaublich effektive Hilfe.
Zutaten/ Teige
Die notwendigen Basis-Mehle gibt es mittlerweile in jedem Supermarkt, alles Speziellere im Internet.
Sauerteig ist so eine Sache. Ein Sauerteig benötigt Hege und Pflege wie ein Familienmitglied. Längere Urlaube verträgt er nicht gut, mehrere Wochen Back-Unlust auch nicht. Uns sind über die Jahre zwei Sauerteige über die Wupper gegangen – seitdem nutzen wir Alternativen, nämlich:
Vorteige, die viel Zeit zum Reifen haben
Alle o.g. Blogs sind voll mit Rezepten, die mit einem lange gezogenen Vorteig von um die 24 Stunden arbeiten. Das bringt Geschmack und hat den großen Vorteil, das man die Hefe deutlich reduzieren kann.
Kalte Führung
Kalte Führung ist eine ideale Methode, um Geschmack in ein Brot zu zaubern. Es braucht lediglich Zeit und etwas Planung. Ein weiterer Vorteil: durch die niedrige Temperatur im Kühlschrank kann man die Weiterverarbeitung deutlich flexibler planen. Ein paar Stunden mehr machen im Zweifelsfall keinen großen Unterschied.
Essig
Essig ist eine gute Alternative zu Sauerteig. Hervorragend funktioniert er zum Beispiel im Pane Pugliese.
Orga/ Planung
Die Planung ist, zumindest für mich, der größte Knackpunkt. Wenn es wirklich lecker werden soll, sollte man die in den Rezepten angegeben Zeitabstände wenigstens grob einhalten – und das ist für arbeitende Menschen durchaus eine Herausforderung. Auch stößt das Statement „ich kann heute Nachmittag nicht weil ich mein italienisches Weizenbrot dehnen und falten muss“ selbst bei guten Freunden auf dezente Verwunderung.
Eine wirklich überzeugenden Lösung dafür habe ich nicht. Es hilft, sich die Rezepte zu suchen, die einigermaßen mit dem persönlichen Zeitplan harmonieren.
Nachtrag 11/2018
Ich habe die beiden ursprünglichen Rezept-Varianten aus diesem Post in den vergangenen Jahren immer mal wieder variiert. Nachdem sich eine dieser Variationen in unserer Familie ganz klar als Favorit durchgesetzt hat, habe ich mich nun entscheiden, die ursprünglichen Rezepte gegen dieses Favoriten-Rezept auszutauschen. Vieles hat nicht geändert: 1/5 des Mehles ist nun Roggen, der Altbrot-Anteil hat sich erhöht und ich habe das Rezept auf kalte Führung umgestellt
Baguettes mit Altbrot-Quellstück
Zutaten
Vorteig
- 100 g Weizenmehl Typ 550
- 100 g Weizenmehl Typ 1050
- 200 g Wasser
- 0,3 g Hefe
Quellstück
- 70 g Altbrot, geröstet und gemahlen (gerne auch mit Roggenanteil)
- 140 g Wasser
Hauptteig
- Vorteig
- Quellstück
- 200 g Weizenmehl Typ 550
- 100 g Roggenmehl Typ 1150
- 100 g Wasser
- 50 g Wasser
- 13 g Salz
- 3 g Hefe
Anleitungen
Vorteig
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Alle Zutaten verrühren und, gut abgedeckt, ungefähr 12 Stunden bei Raumtemperatur anspringen lassen.
Quellstück
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Die Zutaten verrühren und eine gute halbe Stunde quellen lassen.
Hauptteig
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Variante Thermomix: Alle Zutaten für 2 Minuten im Rückwärtslauf auf Stufe 5 zu einem kompakten Teig kneten. Die übrigen 50 ml Wasser in den zweiten Minute nach-und-nach zum Teig geben.
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Variante Küchenmaschine: alle Zutaten ohne Salz und Hefe 90 Sekunden rühren. Dann 20 Minuten in der Rührschüssel ruhen lassen. Im Anschluss Salz und Hefe zugeben und ca. 11 Minuten kneten. Die übrigen 50 ml Wasser in den letzten Minuten nach-und-nach zum Teig geben. Der Teig muss sich von der Schüssel lösen.
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Im Anschluss den Teig eine halbe Stunde bei Raumtemperatur anspringen lassen, dann einmal dehnen und falten und danach sofort für 48 Stunden in den Kühlschrank verfrachten.
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Am Backtag den Teig auf einer ordentlich bemehlten Arbeitsfläche in 3 möglichst gleich große Teile teilen.
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Die Teiglinge jeweils zu Stangen formen. Eine gute Methode ist, in mehreren Schritten den Teig jeweils von hinten hoch zu ziehen und zwei Zentimeter weiter nach vorne in den Teig zu drücken. Wenn man das mehrere Male wiederholt, erhält man ein Wurst-ähnliches Gebilde, das man leicht zu Stangen rollen kann.
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Die Teiglinge nochmals 15 – 60 Minuten zur Gare anstellen – dafür mit einem Küchentuch abdecken.
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Dann leicht bemehlen und schräg einschneiden.
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Im, auf 250° vorgeheizten, Ofen mit Dampf 25 Minuten bei konstanter Temperatur backen.
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Applaus ist das Brot des Künstlers!
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9 Comments
Jens
13. August 2015 at 9:01Wunderschöne Brote und wieder ein Punkt mehr auf der Brot-Back-Liste. Vor Allem muss ich auch endlich mal was mit Vollkorn machen.
Wiedermal guter und informativer Artikel!
Oliver
15. August 2015 at 16:42Hi Jens,
vielen Dank für das Lob. Vollkorn ist definitiv ein paar Experimente wert. Ein echter Knüller scheint auch das Altbrot als Zutat zu sein. Das kann ich mir auch sehr gut fürs Pane Pugliese vorstellen….
Laura
20. August 2015 at 19:41Nachdem ich 4 Monat an der Westküste in den USA war, weiß ich gutes Brot zu schätzen! Das Rezept habe ich mir direkt notiert 😉 Ich hoffe es schmeckt so gut wie es aussieht bzw. sich anhört
Tanja
29. Oktober 2016 at 14:03Wow, habs mal nachgebacken. Echt traumhaft und nur weitermpfehlen das Endergebnis 🙂
Oliver
1. November 2016 at 22:04Liebe Tanja,
vielen Dank für das Feedback. Die Altbrotstangen gehören nach wie vor auch zu unseren Favoriten.
Viele Grüße,
Oliver
Martin
18. Februar 2017 at 16:53Hab mich jetzt auch endlich mal an mein erstes Brot gewagt. Richtig lecker und geht auch relativ schnell. Man muss nur etwas im voraus planen..
Oliver
20. Februar 2017 at 11:31Hallo Martin,
vielen Dank für die Rückmeldung. Du hast völlig Recht: Planung ist das A und O.
Viele Grüße,
Oliver
Melissa K.
11. August 2023 at 7:46Wir hatten gestern Gäste zum Grillen und ich habe die Gelegenheit genutzt, diese Baguettes als Beilage zu backen. Alle waren sehr begeistert davon, danke lieber Oliver.
LG
Melissa
Oliver
11. August 2023 at 8:03Hallo Melissa,
vielen Dank für das tolle Feedback.
Herzliche Grüße,
Oliver