[google-translator]
Der Begriff Geschmack beschreibt einen viel kleineren Ausschnitt unserer Wahrnehmung von Essen, als man es vielleicht erwarten würde.
Passend dazu benötigen wir für die Erfahrung von Geschmack nur ein Sinnesorgan: den Mund.
Denn Geschmack findet ausschließlich auf der Zunge statt.
Wer sich die Nase zuhält und gleichzeitig in ein Lebensmittel beißt, der schmeckt.
Dafür stehen uns exakt fünf mögliche Ausprägungen von Geschmack zu Verfügung:
- süß
- sauer
- bitter
- salzig
- umami
Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Salzig
Salz hebt den Geschmack und das Aroma von Lebensmitteln, es kann Feuchtigkeit entziehen (z.B. beim Beizen) oder festhalten und es kann Texturen – positiv wie negativ – verändern. Salz ist die wichtigste Zutat in der Küche, es ist der effektivste natürliche Geschmacksverstärker, den wir kennen.
Ein gutes Beispiel ist ein klassischer Fisch-Fonds. Kocht man Fischgräten nach Lehrbuch zu einem Fonds aus, ist das Ergebnis in der Regel erstaunlich „laff“. Gibt man zum Ende jedoch ein bis zwei Prisen Salz hinzu, ist es als ob sich ein grauer Wolkenschleier heben und die Welt, die eben noch grau und fahl anzusehen war, plötzlich in ihrer ganzen Pracht erstrahlen würde.
Die Aromen werden intensiver und klarer – der Unterschied ist erstaunlich.
Alle Köche setzen Salz in herzhaften Gerichten ganz natürlich ein. Es ist jedoch durchaus sinnvoll, kleine Mengen Salz auch in der süßen Küche zu verwenden – die Ergebnisse können spektakulär sein. Karamell zum Beispiel gewinnt durch Salz enorm. Auch in fast allen Crumbles macht sich etwas Salz sehr gut.
Salz verfügt über eine weitere positive Eigenschaft: es mindert Bitterkeit.
Eine Prise Salz in Kaffee, Grapefruitsaft oder Tonic wirkt Wunder. Auch wenn man bei Bitterkeit intuitiv eher zum Zucker greift, ist Salz deutlich effektiver.
Süß
Die Menschen werden mit einem „süßen Zahn“ geboren.
Fast jeder Mensch – über alle Kulturen und Kontinente hinweg – mag „Süßes“ (vgl. Blumenthal, 2011, S. 18). Zucker kann darüber hinaus Schärfe mildern. Insbesondere bei asiatischen Gerichten, die traditionell vielfach sehr scharf zubereitet werden, kann eine dezente Süße wahre Wunder bewirken (vgl. America’s Test Kitchen, Crosby, Guy, 2012, S. 12).
Es wäre jedoch fatal, die Quelle des Geschmackes „süß“ auf handelsüblichen Kristallzucker zu reduzieren. Dieser Zucker, auch Haushaltszucker genannt, ist das Produkt der Unterwerfung der Zuckerindustrie unter die Forderungen der Lebensmittelkonzerne. Haushaltszucker ist raffiniert und so physikalisch und chemisch modifiziert, dass die Industrie ihn möglichst effektiv und – viel wichtiger – effizient verarbeiten kann.
Haushaltszucker klebt nicht zusammen, rieselt schön und zieht keine Feuchtigkeit. Schön für die Industrie, schlecht für den Konsumenten.
Denn Haushaltszucker verursacht Karies, Adipositas und schmeckt weitgehend nach nichts.
Teufelzeug also?
Nicht unbedingt. Es gibt viele Rezepte, in denen der Zucker keinen Eigengeschmack mitbringen soll. Und auch privaten Konsumenten sind womöglich genervt, wenn der Palmzucker aus dem Asiamarkt schon nach zwei Wochen so hart ist, dass man einen Schlagbohrer zum Bearbeiten braucht.
Dennoch: es gibt eine Menge Alternativen über die es sich lohnt nachzudenken: Demeara-Zucker, Muscovado-Zucker, Palmzucker, Rübenkraut, Ahornsirup und Reissirup sind nur eine kleine Auswahl. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Unraffinierte braune Zucker zum Beispiel verfügen über herrliche Tabakaromen und können insbesondere Nachspeisen zusätzlich Komplexität verleihen. Außerdem sind sie deutlich gesünder und verursachen erheblich weniger stark Karies.
Augen auf bei Möhren und Sellerie!
Für das Kochen insbesondere von Gemüse hat der Geschmack „süß“ eine zentrale Bedeutung. Denn Geschmäcker sind, im Gegensatz zu den meisten Aromen, überwiegend wasserlöslich.
Das bedeutet: alle Gemüse, die ihren Geschmack über die Süße beziehen, leiden, wenn man sie in Wasser kocht. Denn sie geben dabei einen Teil der Süße ins Kochwasser ab. Zu den üblichen Verdächtigen gehören z.B. Möhren, Sellerie, Spargel und Kartoffeln.
Hier gilt: Dämpfen ist die Methode der Wahl. Wer ein Mal einen Selleriepüree mit gedämpftem Sellerie gekostet hat, der macht seinen Selleriepüree nie wieder anders.
Sauer
Der Geschmack „sauer“ wird durch Säure hervorgerufen.
Säure hat ganz wunderbare Eigenschaften. Sie macht Lebensmittel frisch, lebendig und leicht. Sie setzt die Speichel-Produktion in Gang. „Sauer“ gibt Essen deshalb den wunderbaren Eindruck „saftig“ zu sein. Säure „bricht“ zudem Reichhaltigkeit und Süße, sie zähmt sie und verleiht Gerichten dadurch Balance und Harmonie.
Diese Fähigkeit von Säure kann man nicht hoch genug bewerten. Es gibt keinen großen Süßwein auf dieser Welt, der nicht über eine knackige Säure verfügen würden. Denn ohne die Säure mag ein Süßwein zwar intensiv, dicht, komplex und was-auch-immer sein – es bleibt am Ende pappig süßes Zeug. Ohne Säure fehlt dem Ying sein Yang.
In der süßen Küche ist das relativ normal und gelebte Praxis, aber auch in der herzhaften Küche gilt dieses Prinzip. Limettensaft oder Tamarinde bricht die Reichhaltigkeit der Kokosmilch, Senf und Essig bringen eine Mayonnaise ins Gleichgewicht.
Die klassische Quelle für Säure sind Zitrusfrüchte. Dabei gibt es durchaus Unterschiede. Während die Zitrone einen relativ intensiven Eigengeschmack mit sich bringt, liefert zum Beispiel die Limette Säure mit weniger Eigengeschmack und ist dadurch besser geeignet für „diffizile“ Gerichte wie zum Beispiel Spargelsuppe, die ja nach Spargel und nicht nach Zitrone schmecken soll. Yuzu, Mandarine, Orange und Grapefruit sind weitere Säure-Lieferanten, die jeweils ihr ganz eigenes Aroma in das Gericht übertragen. Hier geht Probieren über Studieren und Kombinationen verschiedener Zitrusfrüchte sind mit Sicherheit keine schlechte Idee.
Übersehen werden häufig Essige als Quelle für Säure. Gute Essige, dezent eingesetzt, liefern Säure, ohne dass man die Quelle offensichtlich wahr nimmt. Allerdings dauert es eine Weile, bis sich der Geschmack des Essigs harmonisch in das Gericht integriert hat.
Eine gute Alternative ist Säure in Pulverform. Die gängigste Variante ist Ascorbinsäure, also Vitamin C. Für Fruchtzubereitungen eignet sich auch die so genannte „Apfelsäure“ (im Englischen „malic acid“), die eine lebendige Säure liefert, die an Granny Smith-Äpfel erinnert. Grant Achatz, aus dem Alinea in Chicago, setzt Apfelsäure überall dort ein, wo eine lebendige, spritzige Säure von Nöten ist.
Bitter
In der Natur signalisiert Bitterkeit häufig „Gefahr“. Obwohl bittere Lebensmittel nicht zwingend giftig sind und giftige nicht zwingend bitter, gibt es dennoch einen starken Zusammenhang. Das gilt insbesondere für Kinder, die bittere Lebensmittel fast immer ablehnen: denn Tee, Kaffee und Alkohol können schwerwiegende Folgen für sie haben.
Ähnlich wie Säure hat Bitterkeit die wunderbare Eigenschaft, Süße und Reichhaltigkeit zu zähmen und Gerichte balancierter und komplexer wirken zu lassen. Bittere Gerichte wirken leichter. Bitterkeit kühlt, bitter regt den Appetit an und verstärkt andere Geschmacksrichtungen.
Kaffee zum Beispiel liefert in einem guten Tiramisú genau so viel Bitterkeit, dass die Reichhaltigkeit der Mascarpone abgepuffert wird. Eine weitere Quelle für Bitterkeit in der süßen Küche ist bittere Schokolade, die cremige Nachspeisen und süße Kuchen ausbalanciert.
Ähnlich wie Säure ist der Geschmack „bitter“ ein idealer Sommergeschmack. An heißen Tagen kann ein leichter Bitterton den Gaumen beleben. Passiert das im Zusammenspiel mit Säure, steht der absoluten Erfrischung nichts im Weg. Nicht umsonst ist ein Gin Tonic das ideale Getränk für Temperaturen ab 30 Grad Celsius aufwärts.
Doch auch in der herzhaften Küche ist dieses Prinzip einsetzbar: Ein paar Grapefruit-Zesten passen perfekt in einen Krustentier-Salat, und auch Endivien und Blauschimmelkäse gehen perfekt zusammen. Bitterkeit kann übrigens, wenn unerwünscht, durch die Zugabe von Salz deutlich abgemildert werden.
Und was heißt das jetzt konkret?
- Alternativen zum Haushaltszucker ausprobieren. Guter Muscovado-Zucker eröffnet ganz neue Horizonte insbesondere für Desserts. Aber Achtung: der braune Zucker aus den Supermärkten ist in der Regel braun angemalter Haushaltszucker. Guter Muscovado-Zucker ist nicht raffiniert. Eine gute Quelle ist Bosfood.
- Über „salzig“ und „bitter“ im Dessert-Bereich nachdenken.
- Mehr mit Säure experimentieren. Sergio Herman, der einzige Koch außerhalb Frankreichs dem der Gault Millau 20 von 20 Punkten verliehen hat, versteht die „Säure“ als das wichtigste Element seiner Küche. So falsch kann der Mann nicht liegen.
- Sellerie, Möhren, Kartoffeln und generell alles Gemüse, das viel Zucker enthält, nicht kochen sondern dämpfen.
Weiterführende Links
Alle Sonntagsfragen im Überblick.
Abonniere jetzt cookin` – neue Beiträge per Mail
[wysija_form id=“3″]
Applaus ist das Brot des Künstlers!
Gefällt Dir dieser Blog? Dann gib ihm doch etwas zurück und schenke ihm ein like, share oder oder oder…
8 Comments
Eline
31. Januar 2015 at 20:23Mir gefallen deine Sonntagsfragen und ihr Anspruch, den Geheimnissen rund um Genuss auf den Grund zu gehen.
Manche rechnen den Geruch ja zum Geschmack, auch wenn das theoretisch nicht stimmt.
Was ich ergänzen möchte: die 6. Geschmacksqualität, die 2011 entdeckten und bewiesenen Fettrezeptoren (auf Zunge und deren unmittelbarer Umgebung). Bis dahin vermutete man, dass Fett nur durch Aromen und Konsistenz wahrgenommen wird.
@süsses Gemüse
Ich mag kein Wassergemüse, aber Dämpfen ist mir auch zu fad, ich mag die Konsistenz nicht so wirklich.
Ich gare Karotten in ganz wenig Flüssigkeit und Fett, so schmecken sie mir am besten und manchmal lasse ich sie auch noch ein bisschen in dieser Reduktion karamellisieren.
Selleriepüree gare ich in etwas Obers und Milch und püriere mit dieser Flüssigkeit. Wird so schneeweiss und souffliert, mit etwas Zitronensaft oder anderer Säüre (sic!) schmeckt das ganz phantastisch.
Oliver
31. Januar 2015 at 23:26Liebe Eline,
es freut mich, dass Dir meine Sonntagsfragen gefallen. Bzgl. der Fettrezeptoren bin ich blank – da muss ich mich drum kümmern. @süsses Gemüse: ich mag das Dämpfen und im Anschluss kurz in Butter schwenken. Deine Methode für die Karotten habe ich schon mal, glaube ich, bei Johannes King gelesen, auch ein Mal erfolglos ausprobiert und dann aus den Augen verloren. Wie viel Wasser und Fett nimmt man denn auf welche Menge Karotten? Das hört sich sehr interessant an. @ Selleriepüree: ich habe das Püree bisher so hergestellt wie Du. Die Variante im Dampf habe ich vergangenes Jahr ausprobiert und sie hat mich wirklich überzeugt. Der Geschmack ist deutlich klarer und natürlicher.
Liebe Grüße,
Oliver
Eline
1. Februar 2015 at 14:23@Karotten
In einer breiten Kasserole bei mittlerer Hitze leicht karamellisieren, öfter umrühren, kurz zudecken zum Garen. In Ö nennt man diese alte Kochmethode „Braundünsten“ – unverzichtbar für gutes Gulaschbasis. Und ich mag das auch sehr bei bestimmten Gemüsen, vor allem bei Karotten.. aber auch Schwarzwurzeln. Wieviel Flüssigkeit und Fett? Es braucht sehr wenig. Geschätzt so 1-2 El Flüssigkeit und 1 Tl Fett/Butter für 150 g Karotten. Die Flüssigkeit ist bei mir selten Wasser, eher Gemüse-, Hühnerfond, weisser Port, Das Fett öfter mal Koriander- oder Pistazienöl, je nach Gericht.
Oliver
1. Februar 2015 at 17:51Vielen Dank. Hört sich gut an. Ich werde es ausprobieren und berichten…
Matthias
30. Dezember 2016 at 7:39Die Methode, die Eline für die Karotten etc. vorschlägt, ist auch meine erste Wahl! Mir tut es immer im Herzen weh wenn ich jemanden Gemüse im Wasser ‚totkochen‘ seh.
Für die Karotten lasse ich Zucker leicht hell karamellisieren, gebe sie kurz mit dazu und lösche sie dann mit wenig Flüssigkeit ab und gebe etwas Butter hinzu. Nicht Zuviel Säure zugeben, denn sonst werden die Karotten nicht weich. Und auch nicht Zuviel Flüssigkeit, nur das der Boden gerade bedeckt ist. Salz, Pfeffer, Muskat reichen völlig für dieses leckere Gemüse.
Wenn sie sehr al dente sind, Binde ich die Flüssigkeit leicht ab, so das die Karotten schön glasiert werden. Zum auskühlen einfach auf ein Blech geben oder früher vom Herd nehmen und im Topf lassen. Nicht wie so oft gesehen, im Wasser abschrecken. Die schlimmste Unart die ich kenne!
Probier es mal aus!
Bin erst seit kurzem Leser feines Blogs, aber ich bin wirklich sehr angetan und werde bestimmt Stammgast hier!
Grüße Natthias
Oliver
1. Januar 2017 at 22:33Lieber Matthias,
Elines Methode hat auch in unserer Küche Einzug gehalten. Das Ergebnis ist einfach überzeugend. Das mit dem Abbinden ist eine gute Idee, das werde ich ausprobieren.
Ich freue mich, dass Dir mein Blog gefällt.
Viele Grüße,
Oliver
Ist fett der sechste Geschmackssinn? - cookin
21. Februar 2015 at 11:16[…] vom Küchentanz wies mich anlässlich der Sonntagsfrage “Was ist Geschmack?” darauf hin, dass es neben den bekannten fünf (süß – salzig – sauer – bitter […]
Was sind Aromen ?- cookin'
28. März 2015 at 15:08[…] Geschmack – also süß, sauer, salzig, bitter, umami und fett – ist das Fundament des Essens. […]