Brot Rezepte

Ruchbrot und ein Plädoyer für gutes Mehl

Eigentlich sollte dieser Artikel mit einer ausführlichen Motzerei über die Lebensmittelindustrie beginnen. Tenor: alles viel zu billig, alles viel zu schlecht, nicht nachhaltig und überhaupt alles Mist.

Aber mal Hand aufs Herz: wird nicht sowieso schon viel zu viel gemeckert? Über die Politiker, über die Lehrer, über den Umgang mit Corona im Allgemeinen, über die Impf-Strategie, die Stiko, über die EU, über vermeintliche Alu-Hüte, Karl Lauterbach, Boris Palmer und Sarah Wagenknecht. Die Liste ließe ich beliebig fortsetzen.

Und ja: vieles läuft nicht optimal. Als Vater eines 8-jährigen, dessen Schule während der verschiedenen Shutdowns unter Distanzunterricht das Ausgeben von Aufgabenblättern mit anschließendem Wegducken verstanden hat, kann ich ein Lied davon singen.

Dabei vergessen wir allerdings allzu häufig, dass wir bei vielen Themen selber einen signifikanten Unterschied machen können….

Ruchbrot

Billiges Mehl – gutes Mehl

Wir müssen kein Fleisch für 3,79 das Kilo kaufen. Wir müssen nicht vier Mal pro Jahr mit dem Billigflieger für 29,99 durch Europa fliegen. Wir könnten uns politisch engagieren – wenn wir wollten. Und wenn ab Morgen niemand mehr die Blöd-Zeitung kaufen oder deren Online-Angebot besuchen würde, dann würde das der politischen Kultur und dem gesellschaftlichen Frieden in diesem Lang ganz sicher nicht schaden.

Nun ist dieser kleine Blog ja nicht der Politik sondern dem Genuss gewidmet. Und da ist Mehl ein schönes und passendes Beispiel für die Veränderung zum Guten im Kleinen.

Mehl kostet – etwas vereinfacht – nahezu nichts. Das Kilo Weizenmehl der Eigenmarke gibt es Rewe und Aldi für 39 Cent, bei Penny für 32 Cent .

Nun muss man kein Genie sein um sich auszumalen, wie solche Preise zustande kommen. Und dass, am Ende, zunächst die Bauern und dann die Konsumenten auf der Strecke bleiben. Denn eines ist sicher: diese Preise funktionieren nur, wenn alle Schritte im Prozess zu 100 Prozent auf Effizienz getrimmt sind. Das schließt das Ausquetschen der bäuerlichen Betriebe ebenso ein wie den maximal intensiven Einsatz von Chemie. Nicht fehlen dürfen natürlich auch Getreide-Sorten, die auf Menge und industrielle Verarbeitbarkeit und eben nicht auf Geschmack und Nahrhaftigkeit optimiert sind.

Und um es ganz klar zu sagen: man darf getrost davon ausgehen, dass sowohl bei Großbauern als auch bei den Herstellern von Pflanzenschutzmitteln der Konsument nicht an erster und auch nicht an zweiter Stelle kommt. Realistisch wird die Annahme sein, dass sich die meisten Akteure auf dem Markt haarscharf oberhalb der gesetzlichen Mindeststandards bewegen. Dass ganze Heere von Lobbyisten in Brüssel mit gigantischen Budgets dafür sorgen, dass diese gesetzlichen Mindeststandards nicht allzu geschäftsschädigend ausfallen, ist nochmal eine ganz andere Geschichte.

Die Lösung?

Es gibt unzählige kleinere und größere Mühlen und Fachhändler in Deutschland, die gutes Mehl verkaufen. Viele davon in Bio-Qualität.

Und was bedeutet das konkret für Mehl?

Wenn wir gutes Mehl kaufen…

1.) …unterstützen wir diejenigen Landwirte, die auf Qualität setzen statt dem Preiskampf und der Effizienz alles andere unterzuordnen

2.) …schützen wir die Umwelt, denn Bio-Getreide wird meinem Bruchteil an Pflanzenschutzmitteln produziert

3.) …schützen wir uns selber, denn die Pflanzenschutzmittel beim herkömmlichen Getreideanbau landen bei uns in der Nahrung und im Wasser. Das Trinkwasser bei uns in Bergisch Gladbach ist zum Beispiel so hoch mit Nitrat belastet, dass es uns ein Labor, bei dem wir es haben prüfen lassen, auf Rückfrage nicht für unsere Kinder empfehlen wollte. Obwohl der Nitrat-Wert innerhalb der EU-Grenzwerte liegt.

4.) …schützen wir die Insekten. Das ist auch nicht schlecht, denn wenn in ein paar Jahren Bienen & Co. bei uns völlig ausgemerzt wären, dann würden wir auch ganz schön blöd gucken.

Kalte Langzeitführung – maximale Flexibilität und bester Geschmack

Noch kurz zum Rezept: es eignet sich hervorragend für die kalte Langzeitführung, also die Gare bei 4 – 8 Grad im Kühlschrank. Diese Methode hat einige Vorteile: sie ist sehr flexibel, da sich die Zeitfenster der Garen deutlich vergrößern. Diese Methode funktioniert gleichermaßen gut für die Stockgare, also das „Gehen“ des Teiges vor dem abschließenden Formen als auch für die „Stückgare“, mithin die abschließende Gare des fertig geformten Teiglings.

In diesem Rezept habe ich mich für die kalte Stückgare entschieden. Man kann übrigens auch beide Garen kalt durchführen.

Ruchmehl – viele spannende Varianten

Es ist übrigens insbesondere beim Ruchmehl sehr spannend, die Mehle verschiedener Mühlen zu testen. Denn bei Ruchmehl sind die aromatischen Unterschiede zwischen den Produkten deutlich stärker ausgeprägt als bei „normalen“ Weizenmehlen. Sehr gut gefallen mir persönlich die Ruchmehle der Meraner Mühle (über bongu) sowie der Biomühle Eiling [in beiden Fällen ist dies mein persönlicher Hinweis und keine bezahlte oder irgendwie anders kompensierte Werbung].

Ruchbrot

5 von 1 Bewertung
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Ruchbrot

Zutaten

Für den Sauerteig

  • 70 g Ruchmehl
  • 70 g Wasser
  • 20 g Anstellgut

Für den Hauptteig

  • Sauerteig
  • 310 g Ruchmehl
  • 250 g Wasser
  • 13 g Salz
  • 2,5 g Hefe
  • 20 g Olivenöl

Anleitungen

Sauerteig

  1. Die Zutaten mischen und 6 – 8 Stunden abgedeckt stehen lassen. Raumtemperatur geht, besser ist von ca. 30 auf 24 Grad fallend. Das kann man zum Beispiel erreichen, in dem man den Sauerteig über Nacht in den Backofen stellt und für die erste Stunde die Backofenlampe anschaltet.

Hauptteig

  1. Mehl und Wasser mischen und 30 Minuten abgedeckt stehen lassen (Autolyse).

  2. Im Anschluss die anderen Zutaten dazu geben.

  3. Variante Thermomix

    Den Teig 90 Sekunden im Linkslauf auf Stufe 5 auskneten,

  4. Variante Küchenmaschine (Kenwood & Co.)

    Den Teig erst 3 Minuten auf niedrigster Stufe, dann weitere 5 – 10 Minuten auf zweiter Stufe zu einem glatten, gut dehnbaren Teig kneten. Der Teig ist fertig, wenn er sich vom Schüsselrand löst.

  5. Den Teig ca. 3 Stunden zur Stockgare anstellen. Dabei alle 30 Minuten dehnen und falten.

    [Für die kalte Langzeitführung bei der Stockgare den Teig eine halbe Stunde bei Raumtemperatur "anspringen" lassen. Dabei zwei Mal dehnen und falten und im Anschluss ca. 12 Stunden im Kühlschrank lagern.]

  6. Den Teig rund formen und 15 – 30 Minuten ruhen lassen. Im Anschluss den Teig lang wirken und in ein Gärkörbchen verfrachten.

    Für die kalte Langzeitführung das Gärkörbchen in eine geruchsneutrale Plastiktüte geben und 12 – 18 Stunden im Kühlschrank gehen lassen. Den Teig zunächst 30 Minuten ohne Abdeckung in den Kühlschrank geben, erst um Anschluss in der Plastiktüte verpacken. So kühlt er schneller herunter.

  7. Den Backofen inkl. Backstein eine Stunde auf 250 Grad vorheizen.

  8. Den Teigling stürzen, einschneiden, in den Backofen einschießen und bei 250 Grad für 40 Minuten backen. Die ersten 10 Minuten bedampfen. Im Anschluss den Dampf ablassen. Die Temperatur im Backofen nach 20 Minuten auf 230 Grad senken.

    Alternative "Gusseiserner Topf"

    Den Topf im Backofen mit aufheizen. Den Teig stürzen, einschneiden, in den Topf geben und mit Deckel für 25 Minuten backen. Nach 25 Minuten den Deckel entfernen, den Backofen auf 220 Grad herunterdrehen und den Teigling weitere 15 Minuten backen.

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10 Comments

  • Reply
    Inge Keilmann
    31. Oktober 2021 at 15:26

    Hallo,

    ist Ruchmehl Weizenmehl 1050?

    lg Inge

    • Reply
      Oliver
      31. Oktober 2021 at 17:52

      Hallo Inge,

      jein 🙂

      Es ist, was den Ausmahlungsgrad angeht, mit dem deutschen 1050er vergleichbar. Es enthält aber einen größeren Anteil der Randschichten des Korns und schmeckt daher deutlich rustikaler. Weitere Details findest Du hier.

      Viele Grüße,

      Oliver

      • Reply
        Änne
        3. November 2021 at 21:24

        Hallo Oliver, ist Ruchmehl mit dem österr. Rauchmehl vegleichbar?
        LG von Änne

        • Reply
          Oliver
          5. November 2021 at 16:53

          Hallo Änne,

          bei dem österreichischen Rauchmehl scheint es sich um das Mehl einer bestimmten Mühle, der Rauchmühle, zu handeln (zumindestens nach kurzer Internet-Recherche).

          Ruchmehl kommt nicht von einer bestimmten Mühle sondern zeichnet sich dadurch aus, dass der Schalenanteil im Mehl deutlich höher ist als bei herkömmlichen 550er-Mehl.

          Viele Grüße,

          Oliver

  • Reply
    Achi
    1. November 2021 at 11:09

    Ja,

    was ist gutes Mehl … Für mich ist gutes Mehl, abgesehen von rein technischen Dingen (W-Wert, Eiweißgehalt usw.), ein ökologisch möglichst einwandfrei angebautes und hergestelltes Mehl, nachgewiesen durch entsprechende Zertifikate wie z.B. bei der von Dir angeführten Eiling-Mühle. Ist dies nicht erfüllt … hege ich ein gesundes Misstrauen bei ALLEN Mehlen von 0,25 – 2,5 EUR/kg. Ich weiß … es heisst immer man kennt doch seine „regionalen“ Bauern und Produkte. Zertifizierung wäre viel zu teuer u.s.w. Man kann sich auf das Wort verlassen … Kann ja jeder glauben wie und was er will. Aber die wenigen „regionalen“ Landwirte (ob Vollerwerb oder Nebenerwerb), die ich z.B. hier bei uns in der Gegend „kenne“, die machen überwiegend das was hohe Ernten verspricht und gesetzlich erlaubt ist (Monsanto, Round-Up lässt grüßen). Und das ist für mich nicht unbedingt das beste für uns Menschen, egal wie es weiter be- oder verarbeitet wird und was es nachher kostet wenn es im Laden steht.

    Frohes Backen
    Achi

    • Reply
      Oliver
      2. November 2021 at 10:49

      Hallo Achi,

      Deine Ausführungen kann ich zu 100% unterschreiben.

      Gesundes Misstrauen ist mit Sicherheit grundsätzlich angebracht, insbesondere wenn der Preis verdächtig günstig ist. Ein schönes Beispiel dafür sind vielfach Produkte mit dem deutschen Bio-Siegel nach EG-Öko-Verordnung. Nachdem, was ich so höre, sind die entsprechenden Kontrollen eher nicht so ambitioniert. Meint: selten und angekündigt. Da sind mir Bioland, Demeter & Co. schon lieber.

      Beste Grüße,

      Oliver

  • Reply
    Sabine Probst
    2. November 2021 at 11:44

    5 stars
    Erster Versuch mit Ruchmehl, und gleich solch ein fantastisches Ergebnis. Einzige Abänderung zum Rezept oben: Ich habe, in Ermangelung eines Pizzasteins, im gußeisernen Topf gebacken.

    • Reply
      Oliver
      2. November 2021 at 15:58

      Hi Sabine,

      besten Dank für die tolle Rückmeldung.

      Viele Grüße,

      Oliver

      • Reply
        Katrin
        13. Februar 2022 at 8:32

        Hallo Oliver,
        backe schon länger Brote nur noch mit den Mehlen von bongu u. der E Biomühle Eiling. Bin vorallem von dem Ruchmehl von bongu begeistert. Im Freundeskreis wird immer wieder ein bestimmtes Ruchbrot „verlangt“. Gern werde ich jetzt mal dein Rezept probieren.
        Deine Meinung über unsere Lebensmittelpreise u. den damit verbundenen politischen Hintergrund, teile ich voll u. ganz!
        Auch finde ich deine Erklärung über „kalte Führung“ recht professionell u. trotzdem, für einen Laien, wie mich, gut verständlich. Hast du einen beruflich-fachlichen Hintergrund ?
        Vielen Dank für deinen Blog, werde da jetzt noch etwas stöbern.
        Viele Grüße u. einen schönen Sonntag!
        Katrin

        • Reply
          Oliver
          13. Februar 2022 at 11:39

          Liebe Katrin,

          herzlichen Dank für Deine Rückmeldung und das tolle Lob 🙂 Tatsächlich bin ich nicht „vom Fach“ sondern lediglich Hobbybäcker.

          Deine Erfahrung mit dem Ruchmehl von Bongu deckt sich voll mit meiner: kein anderes Brot ist bei der Familie, bei Freunden und bei Nachbarn so beliebt wie Brot mit Ruchmehl von Bongu.

          Weiter viel Spaß beim Backen und ganz herzliche Grüße,

          Oliver

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