Altbrot ist eine hoch-emotionale wie negativ besetzte Angelegenheit. Professionelle Bäcker zum Beispiel, die Altbrot schon seit Ewigkeiten verwenden, mogeln sich um die Angabe bei den Inhaltstoffen herum – aus Sorge um die mangelnde Akzeptanz beim Konsumenten. Der Trick: da Altbrot aus den gleichen Zutaten besteht wie das „neue“ Endprodukt, kann sich der Bäcker die Angabe von „Brot“ im Zutatenverzeichnis sparen.
Dass die Befürchtung der Bäcker nicht ganz unbegründet ist, zeigt ein Thread auf Chefkoch. Dort regen sie die Beteiligten zunächst knackig über die vermeintliche Verbraucherverarsche der Bäckerzunft auf, bis sich glücklicherweise ein Profi-in-der-Ausbildung einschaltet und den Tatbestand aufklärt.
Denn es fest steht: (selbst gebackenes) Brot kann durch den Einsatz von altem Brot enorm gewinnen.
Die Altbrotstangen, die ich mittlerweile in den verschiedensten Varianten ausprobiert habe, sind schwerer als vergleichbares Baguettes, leckerer, saftiger und halten länger frisch.
Grund genug, sich das Thema mal genauer anzuschauen…
Worum gehts?
Bei Altbrot, in der Fachliteratur auch als Restbrot bezeichnet, handelt es sich um altes, aber „verkehrsfähiges“ Brot.
„Verkehrsfähig“ meint in diesem Zusammenhang „hygienisch einwandfrei“.
Das bedeutet: das Brot hat keinen Schimmel angesetzt und der Lehrling mit der ungesunden Gesichtsfarbe hat nicht drauf gehustet.
Dieses Altbrot kann man frischen Brotteigen zusetzen.
Nach den Leitsätzen für Brot und Kleingebäck (sowas gibt es tatsächlich) dürfen professionelle Bäcker in Deutschland bei weizenlastigen Broten bis zu 6 Prozent und bei Broten mit überwiegendem Roggenanteil bis zu 20% Altbrot zusetzen.
Diese, erlaubten, Höchstmengen kommen in der Praxis kaum zum Einsatz. Die Backfähigkeit lässt nämlich bei so hohen Anteilen nach. Die für die Praxis empfohlenen Mengen variieren je nach Quelle. Grundsätzlich scheint aber ein Anteil von 3 – 10% Altbrot im Verhältnis zur Gesamtteigmenge günstig zu sein.
Dabei gilt: das Altbrot darf im Enderzeugnis mit bloßem Auge nicht mehr erkennbar sein.

Warum wird es gemacht?
Der naheliegendste Grund für die Verwendung von Altbrot ist die Effizienz. Wenn man altes Brot nicht entsorgt sondern wiederverwendet, ist das eine gute Sache für den Bäcker – und übrigens auch für die Umwelt.
Der für Hobby-Bäcker vermutlich wichtigere Grund ist aber ein anderer: Brot wird besser, wenn man dem Teig Altbrot zusetzt.
Altbrot verbessert Geschmack und Textur!
Textur
Wasser ist der Schlüssel zu frischem und saftigen Brot. Enthält ein Brot zu wenig Wasser, nehmen wir es als trocken war (das gleiche gilt übrigens für Fleisch).
Dummerweise ist ein Brotteig nur begrenzt in der Lage, Wasser zu speichern. Enthält er zu viel Wasser kann sich das Glutennetzwerk nur unzureichend ausbilden. Der lässt sich Brotteig nur schwer verarbeiten, er entwickelt nicht genug Ofentrieb und das Ergebnis macht keinen Spaß.
Hier kommt das Altbrot ins Spiel, denn:
Altbrot verbessert die Teigausbeute.
Das bedeutet: es erhöht den Wassergehalt im Teig. Denn Altbrot ist in der Lage, mehr Wasser im Teig zu binden.
Wieso das?
Altbrot besteht, weil es schon mal gebacken worden ist, zu einem hohen Anteil aus verkleisterter Stärke. Deshalb kann es ein Vielfaches seines Eigengewichts an Wasser aufnehmen. Das ist z.B. besonders günstig für Vollkornbrote mit ganzen Körnern – denn die werden deutlich weniger bröckelig.
Geschmack
Es kommt aber noch besser: Auch der Brotgeschmack wird verbessert.
Denn im Altbrot sind jede Menge Aromastoffe enthalten. Dabei gilt: der Großteil ist Ergebnis der so genannten Mailard-Reaktion. Deshalb stecken die Aromastoffe auch zum überwiegenden Teil in der Rinde.
Wie wird’s gemacht?
Grundsätzlich gibt es drei Stellschrauben:
Verwendet man frisches oder komplett durchgetrocknetes Brot?
Grundsätzlich macht diese Entscheidung keinen signifikanten Unterschied. Die Verwendung von komplett durchgetrocknetem Brot hat aber einen entscheidenden Vorteil: man muss nicht raten, wieviel Wasser man zufügen kann.
Bei durchgetrocknetem Brot gilt die Faustregel: 1 Teil Brot – 2 Teile Wasser. Bei frischem Brot kommt die mögliche Wassermenge auf den Frischegrad des Brotes an – das macht die Sache kompliziert.
Röstet man das Brot an oder nicht?
Der Geschmack kommt im Wesentlichen aus den Röstaromen. Die stecken in der Rinde. Man kann zusätzlich Röstaromen erzeugen, in dem das Altbrot im Ofen röstet.
Das ist oft eine gute Idee – aber nicht immer. Denn die Röstaromen sind ziemlich intensiv. Wenn das geplante Brot geschmacklich auf der milden Seite zuhause ist, sollte man das Altbrot, wenn überhaupt, nur dezent anrösten. Sonst werden die Röstnoten zu dominant.
Wie lange das Brot-Wassergemisch quellen lassen?
Die einschlägigen Quellen geben abweichende Auskünfte: 30 Minuten, 2 – 3 Stunden, 24 Stunden im Kühlschrank. – alles ist dabei.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass 30 Minuten ausreichen und längere Wartezeiten nicht zu besseren Ergebnissen führen.
Zum Rezept
Auch dieses Brot basiert auf den Altbrotstangen vom Brotdoc. Ich habe das Rezept etwas abgewandelt:
Ich habe den Altbrot-Anteil leicht erhöht sowie im Vorteig das 550er Weizenmehl durch 1050er ersetzt. Außerdem habe ich dem Teig ein Schüsschen Olivenöl gegönnt.

Altbrot-Stangen frei nach nach Brotdoc
Zutaten
Für den Vorteig
- 180 g 1050er Weizenmehl
- 180 g Wasser, Zimmertemperatur
- 0,3 g Frischhefe
Für das Altbrot-Quellstück
- 50 g Altbrot, geröstet und gemahlen
- 80 g Wasser, Zimmertemperatur
Für den Hauptteig
- Vorteig
- Quellstück
- 350 g 550er Weizenmehl, noch besser: T 65
- 165 g Wasser
- 13 g Salz
- 5 g Hefe
- 1 EL Olivenöl
Anleitungen
Für den Vorteig
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Alle Zutaten verrühren und ungefähr 12 Stunden bei Raumtemperatur gehen lassen. Der Vorteig ist fertig, wenn er mit unzähligen kleinen Bläschen durchzogen ist.
Für das Quellstück
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Die Zutaten verrühren und mindestens eine halbe Stunde quellen lassen.
Für den Hauptteig
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Alle Zutaten ohne Salz und Hefe mischen.
30 Minuten ruhen lassen (Autolyse).
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Variante Thermomix:
Dann Salz und Hefe zugeben und 2 Minuten im Linkslauf kneten. Die zwei Minuten reichen völlig aus. Warum das so ist, erfahrt Ihr hier.
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Variante Kennwood, Kitchen Aid & Co.:
Dann Salz und Hefe zugeben und zunächst 8 Minuten langsam, danach schnell kneten. Der Teig ist fertig, wenn er sich von der Schüssel löst.
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Den Teig 2 - 3 Stunden bei Raumtemperatur in einer geölten Teigwanne gehen lassen. Dabei drei Mal dehnen und falten. Das Volumen sollte sich mindestens verdoppeln.
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Dann den Teig auf einer bemehlten Arbeitsfläche in 3 etwa gleich große Teile teilen.
Die drei Teiglinge zu Zylindern formen und 20 Minuten abgedeckt entspannen lassen.
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Die drei Teiglinge lang wirken. Eine gute Methode ist, in mehreren Schritten den Teig jeweils von hinten hoch und nach vorne zu ziehen und in den Teig zu drücken. Wenn man dieses Vorgehen für "beide Seiten" macht, erhält man ein Wurst-ähnliches Gebilde, das man leicht zu Stangen rollen kann. Gute Erklärvideos zu dieser Methode gibt es auf Youtube.
Die Teiglinge abgedeckt weitere 40 Minuten ruhen lassen.
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Die Teiglinge im, auf 250° vorgeheizten, Ofen mit Dampf 25 Minuten bei konstanter Temperatur backen.
Hinweis: Mein Ofen ist schon etwas älter und nicht sehr heiß. Wenn Euer Ofen mehr Power hat, müsst Ihr die Temperatur gegebenenfalls zum Ende hin senken.
13 Comments
Margit Weiß
2. Oktober 2015 at 7:02Das beste Baguette das ich jemals gebacken habe. Ein Traum!!!!
Oliver
2. Oktober 2015 at 19:35Hallo Margit,
wir mögen das Brot auch sehr. Ich kann es kaum so schnell backen, wie die Familie es weg futtert 🙂
Conny
5. Oktober 2015 at 9:33Die Baguettes sehen sensationell aus. Und das Rezept liest sich wunderbar unaufwendig. Das werd ich am Wochenende ausprobieren!
Sonnige Grüße
Conny
Oliver
6. Oktober 2015 at 20:01Hallo Conny,
das Rezept ist wirklich ziemlich unaufwendig. Und das Brot ist super. Was will man mehr :-)?
Sonnige Grüße zurück,
Oliver
Sabine
5. Oktober 2015 at 12:57Kurze Frage: Du schreibst, dass du dich für die 48-stündige kalte Führung entschieden hast, im Text stehen aber nur die zwölf Stunden für den Vorteig. Hast du diesen statt draußen für zwölf Stunden für zwei Tage in den Kühlschrank gestellt?
Danke schon mal!
Oliver
5. Oktober 2015 at 13:45Hallo Sabine,
da hatte sich in der Tat ein Fehler eingeschlichen.
Ich habe den Hauptteig 48 Stunden kalt geführt – im Kühlschrank. Ich hatte im ursprünglichen Rezept aber die „normale“ Führung bei Raumtemperatur beschrieben. Das Ergebnis ist sehr ähnlich – die „kalte“ Führung ist jedoch deutlich komfortabler und – nach meiner Erfahrung – geschmacklich etwas besser.
Ich habe das Rezept wie beschrieben auf die kalte Führung korrigiert.
Vielen Dank für den Hinweis.
Herzliche Grüße,
Oliver
Tolles Sauerteigbrot: Altbrotstangen in 4 Variationen - cookin'
10. Februar 2016 at 8:15[…] Altbrotstangen gehören mittlerweile zum festen Familien-Portfolio und verschwinden in der Regel schneller als […]
Hans-Werner
19. Februar 2018 at 11:02Guten Morgen !
Das möchte ich auch mal versuchen.
Mir fehlt hier jetz nur ein Zeitplan.
Wann startet man und macht weiter mit dem Teig und dem Backen in den nächsten Tagen ?
Hans-Werner
Oliver
19. Februar 2018 at 21:27Hallo Hans-Werner,
ein gutes Vorgehen wäre Folgendes:
1.) Abends den Vorteig ansetzen (z.B. Freitag)
2.) Am folgenden Morgen den Hauptteig kneten und in den Kühlschrank geben (in diesem Beispiel: Samstag)
3.) Am Abend des drauf folgenden Tages Backen (Sonntag)
Ich hoffe, ich konnte helfen.
Viele Grüße,
Oliver
Monika
16. Juni 2020 at 9:21Guten Tag, Oliver,
Gerne würde ich mich an die Stangen wagen. Bin aber mit den Zeiten noch unsicher. Wenn ich eine längere Teigruhe (z. B. 48 Std.) im Kühlschrank einplane, soll der Teig dann sofort nach dem Kneten in die Kühlung oder bleibt es zuvor bei den 2-3 Stunden bei RT mit 3 x S + F? Danke für eine kurze Rückmeldung und vielen Dank für deinen tollen Blog
Monika
Oliver
16. Juni 2020 at 12:55Hi Monika,
Du kannst das Rezept problemlos auf lange, kalte Führung umstellen. Nämlich so:
1.) Hefe halbieren
2.) Den Teig 45 Minuten bei Raumtemperatur anspringen lassen, dabei 2 Mal dehnen und falten. Danach in den Kühlschrank.
3.) Ich würde allerdings für den ersten Versuch die Zeit im Kühlschrank auf 24 Stunden begrenzen. Bei längeren Gehzeiten im Kühlschrank ist die Gefahr groß, dass der enzymatische Abbau Dir das Klebergerüst so stark beschädigt, dass die Stangen im Ofen breit laufen.
Viel Erfolg und beste Grüße,
Oliver
Violaine
20. April 2020 at 15:23Sehr interessant, danke für die tolle Idee! Im Hauptteig benutzen Sie auch frische Hefe? Und vielen Dank für Ihrer tollen Website. Dank Ihnen habe ich mit Hefewasser angefangen!
Oliver
21. April 2020 at 9:20Liebe Violaine,
vielen Dank für das Lob 🙂 In dem Rezept kommt tatsächlich Hefe in den Hauptteig. Sie können die Hefe aber auch durch Hefewasser ersetzen – vorausgesetzt, es ist aktiv genug.
Dann würden sich allerdings Stockgare und Stückgare deutlich verlängern.
Viele Grüße,
Oliver