Obiger Spruch wird der französischen Königin Marie Antoinette angedichtet. Die soll – sinngemäß – gesagt haben, das Volk, das kein Brot habe, solle halt Brioche essen.
Mittlerweile scheinen sich die Historiker geeinigt zu haben, dass besagte Königin, das Statement betreffend, das Opfer übler Nachrede geworden ist. Nützen tut das Marie Antoinette dennoch nichts mehr, denn die Rübe ist nun mal ab und die Geschichtsschreibung zur Königin bleibt in Summe wenig schmeichelhaft.
Die Sache mit dem Brioche muss zu dieser Zeit eine besonders perfide Unterstellung gewesen sein, denn gutes klassisches Brioche ist vollgestopft mit den damals koststpieligen Produkten Ei und Butter. Ergo: wer sich kein Brot leisten kann, kann sich mit Sicherheit schon gar kein Brioche leisten. Und wer als Monarchin solche Sätze sagt, der hat es noch weit bis zur „Königin der Herzen“.
Das klassische Brioche ist ein wundervolles Brot, das schon lange ein Nischendasein in besseren, klassisch geprägten Restaurants fristet. Dort wird es in der Regel von einem steifen Kellner mit einer silbernen Zange zu Stopfleber, Geleé und Sauternes gereicht. Nicht, dass an dieser Kombination – so man es moralisch vertreten kann – etwas auszusetzen wäre. Sie ist nicht ohne Grund ein Klassiker.
Schade ist viel mehr, dass das köstliche Brioche darüber hinaus viel seltener verwendet wird als es ihm gebühren würde…
Das Rezept für dieses köstliche Bierbrot ist erfreulich einfach.
Gut so!
Denn ich gebe es offen zu: mein neues Projekt „Sauerteig-Brot“ zehrt ein wenig an meinem Nerven. Die meisten Versuche enden zwar lecker, häufig gehen die Brote aber nicht ausreichend hoch.
Es gibt zwar eine ganze Menge hervorragender Spezialblogs und Foren. Doch sind diese, zumindest kurzfristig, nur begrenzt hilfreich.
Denn: ganz offensichtlich erfordert es für gute Sauerteigbrote eine Kleinigkeit, die man sich nicht anlesen kann: Erfahrung!Continue Reading
Wie dem aufmerksamen Leser dieses Blogs vermutlich aufgefallen ist, halte ich mich ungern strikt an Rezepte. Das ist häufig sehr erfreulich, mitunter aber – wen wundert es – kurzzeitig durchaus frustrierend. „Kurzzeitig“ übrigens deshalb, weil man – zumindest nach meiner Erfahrung – durch Misserfolg viel mehr lernt als durch Erfolg. Zum einen zwingt einen der Misserfolg, darüber nachzudenken warum etwas funktioniert oder eben auch nicht. Und zum anderen brennen sich Fehler und die daraus entstandenen Erkenntnisse viel stärker in die Wahrnehmung ein als Erfolge, die man ja in der Regel als mehr oder weniger naturgegeben hinnimmt: „hat halt funktioniert, na und?“
Ein schönes Beispiel ist das folgende Brot, das nicht nur im Endergebnis absolut köstlich ist, sondern auf dem Weg zum Erfolg für einigen Lernstoff gut war…
Normalerweise lässt Du Deinen Brotteig bei Temperaturen zwischen 20 und 35 °C gehen. Ideal sind dabei 20 – 28 °C für die Stockgare und 28-35 °C für die anschließende Stückgare. Diese optimalen Temperaturen sorgen dafür, dass die jeweils benötigten Mikroorganismen ideale Arbeitsbedingungen haben.
Bei der kalten Führung, auch Langzeitführung genannt, verlegst Du die Stockgare und/ oder die Stückgare in den Kühlschrank. Dabei geht der Teig bzw. der Teigling bei Temperaturen zwischen 4 und 6 Grad Celsius. Die Geschwindigkeit, mit der die Gare abläuft, verlangsamt sich deutlich.
Das hat einige Vorteile:
Die Brote werden geschmacklich tiefer und komplexer
Du benötigst deutlich weniger Hefe
Die Methode gibt Dir eine gewisse Flexibilität beim Backen
Du kannst Stockgare und Stückgare deutlich verlängern und dadurch so einstellen, dass sie sich deutlich besser in Deinen Tagesablauf passen
Das Zeitfenster, in dem der Teigling backfertig ist, vergrößert sich
Kruste und Krume profitieren von der Langzeitführung
Es gibt aber auch Nachteile
Die Temperaturen in handelsüblichen Kühlschränken sind wenig verlässlich. Die meisten Kühlschränke sind wärmer als die angegebenen 6 °C. Die Temperaturen schwanken häufig um mindestens 4 °C. Und wenn Du Kinder hast, die gerne mal lange die Kühlschranktür offen lassen, fallen diese Schwankungen noch größer aus. Damit ist die kalte Führung immer ein Stück weit unkontrollierbar.
2. Was passiert bei der kalten Führung?
2.1 Die Produktion von Gärgasen verlangsamt sich
Während der Gare vermehren sich die Mikroorganismen und produzieren sehr viele Gasbläschen. Diese Gasbläschen lockern den Teig und sorgen beim Backen für den Ofentrieb. Die Produktion dieser Gärgase findet bei der kalten Langzeitführung weiter statt – allerdings verlangsamt.
Die Gasbläschen ziehen sich außerdem bei niedrigen Temperaturen zusammen. Deshalb kann ein kalt geführter Teigling mehr Gasbläschen “halten” als er es bei Raumtemperatur könnte.
2.2 Die Enzyme schwächen – wie bei Raumtemperatur auch – das Glutengerüst
Dieser Punkt ist extrem wichtig!
Während die Hefen bei 6 °C ihre Arbeit deutlich verlangsamen, sind die Enzyme vergleichsweise aktiv. Und diese Enzyme schwächen das sogenannte Glutengerüst. Das ist grundsätzlich auch gut so. Denn wäre das Klebergerüst beim Backen noch zu stark, würde das Brot nicht “hoch” gehen.
Ist das Glutengerüst am Ende der langen Führung aber zu stark geschwächt, kann es die vielen Gasbläschen nicht halten und das Brot hat nur einen schwachen Ofentrieb.
Das ist übrigens auch der Grund, warum Du für kalt geführte Teige kein aktives Backmalz verwenden solltest. Das würde den beschriebenen Abbauprozess nämlich nochmal beschleunigen.
Grundsätzlich gilt:
Je wärmer der Teig geführt wird,
je länger er geführt wird,
je höher die Teigtemperatur ist,
je weniger Kleber in den verwendeten Mehlen vorhanden ist,
….desto schneller tritt die Übergare ein.
Deshalb gilt als Daumenregel: wenn Du einen Teig länger als 16-18 kalt führen möchtest, solltest Du unbedingt ein backstarkes Mehl mit einem hohen Glutengehalt verwenden. Italienische Tipo 0-Mehle sind üblicherweise sehr backstark, aber auch zum Beispiel gute französische T65-Mehle. Außerdem solltest Du darauf achten, die Kühlschranktür nur so kurz wie unbedingt nötig zu öffnen, damit die Temperatur im Kühlschrank nicht zu stark ansteigt.
2.3 Die Produktion von Aromen geht weiter
Warum sorgt eine lange, kalte Führung für besseren Geschmack?
Wird ein Teig warm geführt, haben die Hefen weniger Zeit, Aromen zu produzieren. Wird der Teig aber kalt geführt, haben die Hefen nicht nur mehr Zeit, Aromen zu produzieren. Sie können auch bessere Aromen produzieren. Sie können in dieser Zeit zum Beispiel Kohlenhydrat-Ketten, Stärken und andere Polysaccharide, die alle wenig Geschmack haben, in deutlich leckere (!) Zucker, Säuren und Alkohole umwandeln.
Bei “normal” geführten Weizenbroten riecht die Unterseite zum Beispiel häufig nach einem sehr stark gerösteten, etwas bitteren Espresso. Backst Du das gleiche Brot mit einem kalt geführten Teig, riecht die Unterseite des Brotes eher nach einem sehr, sehr guten Cappuccino – nämlich deutlich milder und komplexer.
3. Worauf solltest Du bei Rezepten mit kalter Führung achten?
3.1. Anteil Hefe, Sauerteig & Co.
Du kannst die Hefe in Rezepten mit kalter Führung deutlich reduzieren, nämlich um 60 – 80% reduzieren. Du kannst Hefeteige mit einem Gesamtgewicht von 1.000 g problemlos mit 2 g Hefe führen.
Sauerteige sollten 10 – 15 % der Gesamtteigmenge nicht übersteigen – sonst wird das Brot zu sauer. Bei Lievito Madre und Hefewasser kannst Du großzügiger sein. Denn beide sind deutlich milder als klassische Sauerteige.
3.2 Einsatz Vorteige
Vorteige dienen grundsätzlich zur Geschmacksverbesserung und als Triebmittel für den Hauptteig. Da der enzymatische Abbau des Glutens aber bereits im Vorteig beginnt, solltest Du bei sehr langen, kalten Teigführungen [>24 Stunden] Vorsicht walten lassen und auf Vorteige verzichten. Alternativ solltest Du sehr backstarke Mehle verwenden.
3.3 Verwendete Mehle
Grundsätzlich eignen sich kleberstarke Mehle am besten für die kalte Führung, zum Beispiel Ruchmehle, italienische Tipo 0-Mehle und gute französische T 65- und T 80-Mehle.
Grundsätzlich gilt: je länger die kalte Führung, desto kleberstärker sollte das verwendete Mehl sein.
3.4 Teigausbeute
Grundsätzlich solltest Du die Teigausbeute [den Wasseranteil im Teig] für Rezepte mit Langzeitführung leicht reduzieren.
Warum das?
Die Aktivität der Stärke- und Zuckerabbauenden Enzyme [siehe oben] ist wesentlich abhängig vom Wassergehalt des Teiges. Konkret: je höher der Wasseranteil im Teigling, desto aktiver die Enzyme, desto stärker der Angriff auf das Klebergerüst.
3.5 Teigtemperatur
Die Teigtemperatur ist immer eine zentrale Stellschraube beim Brotbacken. Die ideale Teigtemperatur für Weizenbrote liegt bei 22-24 Grad. Für die kalte Führung sollte man die Teigtemperatur idealerweise am unteren Ende des angegebenen Korridors ansteuern.
3.6 Umgebungstemperatur
Bei der Lagerung im Kühlschrank könnte man annehmen, dass der Teig bei nahezu perfekt-konstanten Bedingungen reift. Das ist aber nicht so. Denn die Temperatur im Kühlschrank schwankt stark. Es reicht, die Kühlschranktür einige Male etwas länger auf zu machen, um über Stunden Temperaturen deutlich oberhalb von 6 Grad im Kühlschrank zu haben. Darüber hinaus variieren die Temperaturen sogar innerhalb des Kühlschrankes. Bei unserem Modell zum Beispiel sind im 0 Grad-Fach 3-4 Grad (sic!), im unteren Bereich des “normalen” Teils 6 Grad und im oberen 8 Grad.
Deshalb überprüfe regelmäßig, wie sich der Teig im Kühlschrank entwickelt. Ggfs. musst Du früher backen als geplant.
3.7 Dauer der kalten Führung
In den ersten Jahren meines Hobby-Bäcker-Daseins habe ich mir einen Sport daraus gemacht, Brot- und Brötchenteige immer länger und länger im Kühlschrank zu führen. Grundsätzlich hat das auch ganz gut funktioniert. Die Ergebnisse waren meistens lecker und sahen auch ganz passabel aus. Sie waren häufig aber nicht wirklich gut, denn die meisten Teige hatten Übergare.
Deshalb: wenn Du einen Teig im Kühlschrank länger als 24 Stunden führen willst, verwende unbedingt ein backstarkes Mehl [s. oben].
4. Welche Varianten der kalten Führung gibt es?
4.1 Kalte Stockgare
Mit dem Begriff Stockgare beschreibt man das “Gehen” des Teiges nach dem Kneten und vor dem abschließenden Formen des Teiglings. Wie Du ein “normales” Rezept für die kalte Stockgare umbauen kannst, habe ich hier detailliert beschrieben.
Bei der kalten Stückgare verlegst Du den letzten Schritt der Gare, also das “Gehen” des geformten Teiglings, in den Kühlschrank. Du kannst den Teigling/ die Teiglinge am Ende der Stückgare aus dem Kühlschrank nehmen und direkt backen. Es ist nicht nötig, sie aufzuwärmen.
Es ist allerdings deutlich schwieriger, bei einem kalten Teigling die perfekte Gare zu erkennen als bei einem warmen.
Warum das?
Ein Teigling, der aus dem 4 Grad kalten Kühlschrank kommt, verhält sich anders als ein Teigling bei Raumtemperatur. Wichtigster Unterschied: er wirkt stabiler. Bei Raumtemperatur kannst Du bei einem Teigling die Übergare leicht erkennen: es entstehen schon bei leichten Berührungen Dellen, die bleiben und nicht “zurückkommen”. Im schlimmsten Fall verliert der Teigling deutlich sichtbar an Volumen.
Ein Teigling bei 4 Grad tut das nicht – er bleibt stabil. Das kann dazu führen, dass Du den Teigling in der falschen Annahme in den Backofen schiebst, er habe Vollgare obwohl er eigentlich Übergare hat.
Die Lösung?
Die einzige wirklich gute Lösung ist leider: Ausprobieren und Erfahrung sammeln. Genauso, wie man sich das Gefühl für die richtige Gare bei Raumtemperatur durch Trial-and-Error erarbeiten muss, ist das bei der kalten Stückgare leider auch.
Der Teigling muss abgedeckt [!] in den Kühlschrank, andernfalls würde er austrocknen. Ich verpacke den Teigling in der Regel im Gärkörbchen in einen sauberen Plastikbeutel.
Dabei ist wichtig: stelle den Teigling zunächst für 30 Minuten ohne Abdeckung in den Kühlschrank. So kann er schneller abkühlen.
Wie Du ein “normales” Rezept für die kalte Stückgare umbauen kannst, habe ich übrigens hier detailliert beschrieben.
Die Zutaten abends mischen und 12 bis 16 Stunden bei um die 20 Grad reifen lassen.
Für den Hauptteig
Mehl und Wasser verrühren. Das Ganze 30 Minuten bei Raumtemperatur abgedeckt ruhen lassen (Autolyse).
Dann alle restlichen Zutaten sowie den Vorteig dazu geben.
Variante Thermomix:
Den Teig im Thermomix 75 Sekunden im Linkslauf auf Stufe 5 kneten.
Variante Kennwood, Kitchen Aid & Co:
Den Teig 10 Minuten auf langsamer Stufe kneten.
Den Teig auf schneller Stufe weitere 10-15 Minuten kneten.
Der Teig ist fertig, wenn er sich beim Kneten vollständig von der Schüssel löst.
Den Teig eine halbe Stunde bei Raumtemperatur ruhen lassen und jeweils nach 15 und 30 Minuten dehnen und falten [Erklärvideo].
Dann den Teig abdecken und ca. 24-40 Stunden im Kühlschrank bei 4 – 6 Grad lagern.
Das Volumen sollte sich im Kühlschrank verdoppeln.
Am Backtag den Teig ungefähr eine Stunde bei Raumtemperatur aufwärmen lassen.
Dann den Teig in vier Teiglinge teilen und rollen (ein Erklärvideo zum Formen und Einschneiden findet Ihr hier).
Weitere 15 Minuten ruhen lassen und im Anschluss zu Baguettes formen.
Nochmals 45 – 75 Minuten bei Raumtemperatur reifen lassen.
Dann einschneiden und im Dampf bei 250°C 20-25 Minuten backen.
„Dampf“ bedeutet: ein im Ofen vorgeheiztes, tiefes Blech mit 150 – 200 ml kochendem Wasser befüllen. Das Blech nach zehn Minuten entfernen.
Weiter backen, dann aus dem Ofen nehmen und auf einem Rost auskühlen lassen.
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