Als ich klein war, hatte ich das zweifelhafte Vergnügen die erste Reformhaus-Welle mitzuerleben. Ich war damals zu jung um meine Erfahrungen zu reflektieren, hatte aber das klare Gefühl, dass in diesen Läden irgendetwas Ungutes vor sich geht. Es roch immer undefinierbar gleich, irgendwie ungeflüftet. Die Menschen, vorwiegend Frauen, die die Reformhäuser besuchten, sahen ungesund aus und hatten etwas, sehr vorsichtig formuliert, blutleeres an sich. Die Lebensmittel, die meine Mutter in diesen Reformhäusern kaufte, schmeckten ohne Ausnahme grauenhaft. Beim Verzehr der Grünkernbratlinge habe ich das erste Mal erlebt, dass etwas, das nach gar nichts schmeckt, trotzdem ekelhaft sein kann. Der Sauerkrautsaft war ein Alptraum und der Brottrunk die nicht für möglich gehaltene Steigerung.
Mittlerweile glaube ich zu verstehen, wo das Problem lag (und liegt): es ist die völlige Abwesenhaft von Leidenschaft. Essen, dass in seiner besten Ausprägung nicht nur satt macht sondern für Genuss und Freude sorgt, wurde in diesen Läden auf eine quasi-medizinische Perspektive reduziert. Es zählte nur, was vermeintlich gut für den Köper war. Und weil nach alter Schule Medizin bitter sein muss, schmeckten die gesunden Produkte entsprechend. Ich kann mich an die Mutter eines guten Freundes erinnern, die in einer biologisch-manischen Phase Salz und Zucker komplett aus ihrer Küche verbannt hatte. Wie der Kuchen dort auf Kindergeburtstagen schmeckte, kann man sich gut vorstellen…
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