Das Problem ist vermutlich so alt wie die (Hobby-)Bäckerei: es ist zu viel Sauerteig bzw. Anstellgut da.
Gründe gibt es jede Menge: vielleicht hast Du zu wenig Zeit zum Backen gehabt. Oder das Anstellgut benötigte wegen Übersäuerung und/ oder fehlender Triebkraft einige Auffrischeinheiten.
Kurzum: im Kühlschrank steht eine gewisse Menge Anstellgut, das zu alt oder zu schwach ist um seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt zu werden, nämlich Brote eigenständig zu treiben. Wegschmeißen möchtest Du das gute Anstellgut natürlich auch nicht, denn es handelt sich ja um ein Lebensmittel, das völlig intakt ist.
Was also tun?
Die Lösung für diese Herausforderung heißt Auffrischbrot.
Ein Auffrischbrot ist ein Brot, in dem der Sauerteig nicht für den Trieb sorgen muss. Darüber hinaus ist das Rezept so konzipiert, dass es gleichermaßen mit sauren Roggensauerteigen und milden Weizensauerteigen klar kommt. In diesem Fall sorgen ein Vorteig und ein Altbrotquellstück dafür, dass der Geschmack des Brotes in der Balance bleibt, egal welchen Sauerteig du verwendest.
Funktioniert das Rezept für alle Sauerteige und was mache ich, wenn ich weniger oder mehr Sauerteig zur Verfügung habe??
Ich habe für das Brot auf dem Foto ein Anstellgut aus Roggenvollkornmehl mit TA 200 (sprich: Mehl und Wasser im Verhältnis 1:1) verwendet.
Dieses Rezept funktioniert aber tatsächlich für alle Sauerteige/ Anstellgute: Weizen, Roggen, Dinkel, whatever – alles geht.
Hast Du weniger Sauerteig, nimmst Du einfach soviel wie Dir zur Verfügung steht.
Wenn Du milden Sauerteig über hast, kannst Du die Menge alten Sauerteiges auch problemlos auf 150g erhöhen. Bei Roggensauerteigen wäre ich da vorsichtig, weil die Säure im Roggensauerteig gerade bei längerer Lagerung im Kühlschrank schon dominant werden kann.
In allen diesen Fällen ist es nach meiner Erfahrung nicht zwingend nötig, die Wassermenge anzupassen. Denn der Teig ist trotz der relativ hohen Teigausbeute von 183 durch das Altbrotquellstück relativ stabil und einfach zu verarbeiten.
Du kannst allerdings die Schüttflüssigkeit anpassen, falls Dein Anstellgut eine andere Teigausbeute als die hier angegebene TA 200 hat.
Beispiel: Du ersetzt die im Rezept angegebenen 100g Anstellgut durch 100g Lievito Madre mit TA 150. Denn damit hast Du nicht 50g Mehl und 50g Wasser sondern ca. 67g Mehl und 33g Wasser. Du kannst also im Rezept die Schüttflüssigkeit leicht erhöhen.
Mir persönlich ist das zu kompliziert. Mein Vorgehen bei anderen Sauerteigen bzw. weniger Sauerteigmenge: ich stelle mir 20g Wasser bereit wenn ich den Teig knete. Wenn ich beim Kneten das Gefühl habe, der Teig wird zu fest, gebe ich „auf Sicht“ von den 20g Wasser so viel dazu, bis der Teig die gewünschte Konsistenz entwickelt.
Ist der Teig deutlich zu flüssig, hilft in der Regel ein Teelöffel Altbrot, den Du direkt beim Kneten in die Schüssel geben kannst, um das Problem zu beheben.
Wie alt darf der Sauerteig sein?
Es gibt hier keine eindeutige Regel. Um auf der sicheren Seite zu sein, solltest Du am Sauerteig riechen sowie Dir Deine Sauerteigreste genau anschauen. Der Sauerteig darf sauer und alkoholisch riechen. Sobald Du Fehltöne wie Muff oder Gerüche wahrnimmst, die unangenehm riechen – weg damit.
Darüber hinaus darf sich Flüssigkeit auf dem Sauerteig abgesetzt haben.
Grundsätzlich würde ich keine Sauerteigrest verwenden, die älter als zwei Wochen sind.
P.S. Wenn Du das Tipo 0-Mehl durch 550er Mehl ersetzt
Wenn Du 550er Weizenmehl nimmst, reduziere die Wassermenge um 25g, stelle diese in einem geeigneten Gefäß beiseite und gebe sie erst beim Kneten langsam zum Teig dazu wenn Du das sichere Gefühl hast, dass der Teig nicht zu weich wird.
Auffrischbrot
Zutaten
Vorteig
- 100 g Tipo 0 Weizenmehl, alternativ 550er
- 100 g Wasser
- 0,5 g Hefe
Alter Sauerteig
- 100 g Alter Sauerteig TA 200 (Roggen, Dinkel, Weizen etc.)
Altbrotquellstück
- 30 g Altbrot
- 60 g Wasser, kochend
Hauptteig
- 200 g Vorteig
- 100 g Alter Sauerteig
- 90 g Altbrotquellstück
- 214 g Tipo 0 Weizenmehl, alternativ 550er
- 120 g Wasser
- 8 g Salz
- 1,5 g Hefe
Anleitungen
Für den Vorteig
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Die Zutaten gut mischen und abgedeckt über Nacht bei Raumtemperatur gehen lassen.
Für das Quellstück
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Das Altbrot mit dem kochende Wasser aufgießen, mischen und abgedeckt über Nacht bei Raumtemperatur stehen lassen.
Für den Hauptteig
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Alle Zutaten außer Salz und Hefe mischen und 30 Minuten abgedeckt zur Fermentolyse anstellen.
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Hefe und Salz dazu geben, 2-3 Minuten langsam und ca. 7-10 Minuten auf schneller Stufe kneten. Der Teig ist fertig, wenn er sich deutlich vom Kesselrand löst (Fenstertest!).
Variante Thermomix
Du knetest den Teig für 90-120 Sekunden im Linkslauf auf Stufe 5.
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Den Teig für 60-90 Minuten zur Stockgare anstellen. Nach 30 und 60 Minuten dehnen und falten. Der Teig ist fertig, wenn er ca. 50% an Volumen zugelegt hat.
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Den Teig lang wirken und im Gärkörbchen zunächst ohne Abdeckung in den Kühlschrank befördern. Den Teig nach 30 Minuten abdecken.
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Variante Gusseiserner Topf
Am nächsten Tag, nach insg. 12-18 Stunden, den Teigling direkt aus dem Kühlschrank in einen (mit aufgeheizten) gusseisernen Topf geben, in den auf 250 Grad vorgeheizten Backofen einschießen und für insgesamt 40 Minuten backen. Die Temperatur nach 25 Minuten auf 230 Grad reduzieren und den Deckel vom Topf abnehmen.
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Variante Backstein/ Backstahl
Am nächsten Tag, nach insg. 12-18 Stunden, den Teigling direkt aus dem Kühlschrank in den auf 240 Grad vorgeheizten Ofen geben (idealerweise auf einen Backstein/ Backstahl). Ordentlich schwaden. Die Temperatur sofort auf 230 Grad reduzieren und den Dampf nach 10 Minuten ablassen. Das Brot für insgesamt ca. 35 Minuten backen
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2 Comments
Hannah
21. November 2024 at 11:32Hallo Oliver,
Das Brot ist ein Gedicht, köstlich. Vor allem, ich könnte meinen alten Sauerteig gut verwerten.
Nur eine Frage, ist es normal, dass der Vorteig 193 gr und Quellstück 85 gr waren? Ich habe alles genau abgemessen, beim Teigzufügen kamen diese Mengen raus.
Das Brot ist trotzdem super geworden. Es ist nur reine Interesse.
Vielen Dank und schönen Donnerstag
Hannah
Oliver
21. November 2024 at 13:21Hallo Hannah,
sehr gute Frage! Zufälligerweise habe ich Gestern auch einen Vorteig gewogen, in dem ich 300g Mehl und 300g Wasser (sowie 0,5g Hefe) gemischt hatte. Erstaunlicherweise wog der fertige Vorteig bei mir auch weniger als 600g.
Folgende mögliche Erklärungen fallen mir spontan ein:
1.) Vorteig: Während der Gare werden ja Zucker und andere Stoffe durch die Fermentation in Gas umgesetzt. Vielleicht führt diese Verarbeitung von festen in gasförmiger Stoffe tatsächlich zu einer Gewichtsreduktion.
2.) Quellstück: hier könnte ich mir vorstellen, dass der Gewichtsverlust durch Verdunstung zu erklären ist.
Ganz liebe Grüße,
Oliver