Fisch & Meeresfrüchte Sommer

Oktopus Sous Vide (1/2): die rustikale Wohlfühl-Variante

Ich habe mich lange erfolgreich gegen die Anschaffung eines Sous Vide-Gerätes gewehrt. Nicht, dass ich mich dabei gegen Familien-internen Druck hätte erwehren müssen. Meine Frau ist erfreulich geerdet was das Kochen angeht und hinterfragt grundsätzlich jede technische Anschaffung bezüglich Sinn und Effizienz. Das kann durchaus anstrengend sein, insbesondere wenn man als Kerl mit Jäger-und-Sammler-Gen dem „Haben-wollen“ zulasten des „Wirklich brauchen“ nur zu gerne den Vorzug gibt. Je länger ich mich jedoch mit Kochen und Essen beschäftige, desto sympathischer ist mir Handgemachtes ohne Schnick und Schnack. Stand vor einigen Jahren ein Pacojet noch ganz oben auf meiner persönlichen Wunschliste, so lässt mich dieses Gerät heute so kalt wie das Neueste zum Thema Fidget Spinner. Insofern war meine Frau einfach schon immer etwas weiter als ich – was ja nicht wirklich überraschend ist 🙂

Beim Thema Sous Vide habe ich mich in den vergangenen Jahren dennoch überwiegend gegen mich selber gewehrt. Denn: seine volle positive Wirkung entfaltet die Sous Vide-Methode ausschließlich bei rustikalen, sprich: durchwachsenen (Fleisch)-Stücken wie z.B. der hohen Rippe vom Rind oder einem Schweinebauch. Die dafür notwendigen Garzeiten von bis zu 72 Stunden schienen mir allerdings, vorsichtig formuliert, ein wenig übertrieben.

Es ist jedoch unbestritten, dass die Sous Vide-Methode bei solchen Fleisch-Stücken zu spektakulären Ergebnissen führen kann. Ich erinnere mich an einen privat organisierten Weinabend im Süddeutschen, bei dem es zum Hauptgang eine phänomenale hohe Rippe gab. Die war so gut, dass sich die Runde von einem guten Dutzend Freunden in null-komma-nix darauf einigte, Fleisch nachzubestellen und die Bestände des Restaurants möglichst vollständig zu eliminieren. Man stelle sich das Entsetzen in der Runde vor, als der Koch mit Bedauern mitteilte, die Rippe sei leider Sous Vide-gegart und fertiges Fleisch nicht mehr verfügbar – er könne frühestens in 65 Stunden nachliefern. Sauerstoffzelte mussten aufgestellt werden, noch heute reagieren einiger der Teilnehmer bei der Erinnerung an diesen Abend mit nervösem Zucken.

Abgesehen von der Problematik der langen Garzeiten bei rustikalen Stücken gibt es noch ein zweites „Aber“: ich mag die Textur von Sous Vide-gegarten mageren Fleischstücken nicht. Ein Sous Vide-gegartes Stück Filet oder Entrecote zum Beispiel mag noch so zart und saftig sein – am Ende des Tages ist es für meinen Geschmack zu „labberig“. Dass die Sous Vide-Methode insbesondere in einschlägigen Internet-Foren auch für das Garen von Filet empfohlen wird, kann ich somit genauso wenig nachvollziehen wie die Idee der Roca-Brüder im legendären Celler de Can Roca, sogar die Seezunge Sous Vide zu garen.

So weit – so gut…

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Nachdem die Preise für das erforderliche Equipment in den vergangenen Jahren stark gefallen sind, hat sich nun doch die Neugier gegen den Zweifel durchgesetzt. Somit bin ich seit kurzem stolzer, wenn auch weiterhin zweifelnder, Besitzer eines Sous Vide-Stabes sowie eines Vakuumierers. Denn: Versuch macht kluch, und wenn sich die Methode für mich tatsächlich als technisch-motivierter Humbug herausstellen sollte, so basiert das Urteil zumindest auf Erfahrung und nicht auf Hören-Sagen und Vorurteile.

Zur Methode

Sous Vide ist französisch, bedeutet sinngemäß „unter Vakuum“ und meint eine sehr sanfte Garmethode, bei der das zu garende Lebensmittel in einem geeigneten Plastikbeutel vakuumiert und dann bei niedrigen und konstanten Temperaturen gegart wird. Die Temperaturen werden dabei so gewählt, dass a) das Wachstum pathogener Keime ausgeschlossen wird und b) – im Falle von Fleisch – die Umwandlung des „festen“ Collagens im Bindegewebe zu „weicher“ Gelatine ideal unterstützt wird. Ein zweiter sinnvoller Anwendungsfall sind Eiweiß-Knaller wie z.B. Krustentiere. Dort lassen sich die Temperaturen so wählen, dass die Proteine sanft transformiert und nicht denaturiert, sprich: ungünstig verändert, werden.

Ergebnis ist im Idealfall ein einzigartiges safties und zartes Stück Hummer – Rindfleisch – Tintenfisch – was auch immer.

Zum Rezept – Oktopus Sous Vide

Für den ersten Test bot sich der Oktopus an, bietet er doch in Abhängigkeit der richtigen bzw. falschen Kochmethode eine ungewöhnlich große Bandbreite von „himmlisch köstlich“ bis „grauenhaft Kaugummi“. Passend dazu hat mal einer großer Koch (ich habe vergessen wer) sinngemäß gesagt:

„Es ist ganz einfach einen Oktopus zu kochen. Man kocht ihn zusammen mit einem Stein. Wenn der Stein weich ist, ist es der Oktopus auch.“

Grund für das etwas zickige Verhalten des Oktopus sind lange Proteine, die in ihrer Struktur dem Collagen (s.o.) im Bindegewebe von Landtieren ähneln (mehr dazu bei der Süddeutschen). Um den Oktopus weich zu bekommen, ist es deshalb entscheidend, den Kraken zunächst zu blanchieren (oder mit einem Holzhammer zu verprügeln) und anschließend bei möglichst niedriger Temperatur sanft zu garen.

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Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: der Oktopus war saftig, herrlich zart und dennoch bissfest, in seiner Textur nahezu cremig. Ich habe schon wesentlich schlechtere Varianten gegessen (aber auch einige, wenn auch wenige, bessere). Insofern bin ich mit der Sous Vide-Methode für den Oktopus sehr zufrieden, zum „Sehr gut mit Sternchen“ ist aber noch etwas Luft. Hier ist ggfs. etwas Übung erforderlich.

Nächste Woche gibt es den Oktopus nochmal ganz anders, nämlich als Sommerlich-frisches Carpaccio mit Tomaten.


Inspiration

Lust, eigene kreative Rezepte zu entwickeln? Kochen ist doch am schönsten, wenn es als Spielfeld dient um Kreativität und Leidenschaft sprudeln zu lassen. Auf cookin‘ findest Du zu jedem Rezept Ideen, was man mit einer oder mehrere der Zutaten noch so alles anstellen kann. Hier findest Du den Food Pairing-Baum für Oktopus. Für die komplette Übersicht über alle Food Pairing-Bäume geht es hier entlang…


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Oktopus, Bohnen, Chorizo, Kartoffel-Püree

Portionen 4
Autor Oliver

Zutaten

Für den Oktopus

  • 1 Oktopus
  • 1 EL Olivenöl pro Beutel
  • 1 Knoblauchzehe pro Beutel
  • 1 Prise Salz pro Beutel

Für den Kartoffelpüree

  • 500 g Kartoffel
  • 100 ml Milch
  • 5 – 7 EL Olivenöl
  • 1 Päckchen Tinte
  • Salz
  • Pfeffer

Für die Vinaigrette

  • 1 Anchovis-Filet
  • 2 Knoblauch-Zehen
  • 4 – 6 EL Olivenöl
  • 2 – 3 EL guter, heller Essig
  • 1 – 2 Msp. Pimento de la vera
  • 1 EL Petersilie, fein geschnitten
  • 1 Prise Salz

Und sonst noch…

  • 100 g weiße Bohnen, eingeweicht und gekocht
  • 8 Scheiben Chorizo
  • 1 Handvoll Schwarze Oliven
  • Grünzeug zum Garnieren, z.B. Petersilie, Erbse, Bronzefenchel

Anleitungen

Für den Oktopus

  1. Den Oktopus gründlich waschen und in einem großen Topf mit kochendem Wasser ca. 45 Sekunden blanchieren. In Eiswasser abkühlen.

    Dann die Tentakel mit einem Messer vom Rumpf trennen (gute Videos mit Anleitung gibt es auf Youtube). Die Tentakel mit Olivenöl, Knoblauch und Salz vakuumieren. Ich habe meinen 2 Kilo-Oktopus auf drei Beutel verteilt, vier wären besser gewesen.

    Die Beutel bei 77 Grad für fünf Stunden Sous vide garen.  Danach in Eiswasser abkühlen und im Kühlschrank lagern. 

Für die Vinaigrette

  1. Das Anchovis-Filet mit den Knoblauchzehen und etwas Olivenöl in einem Mörser zu einer homogenen Masse mörsern. Dann die anderen Zutaten zugeben und gut durchmischen. 

Für den Kartoffel-Püree

  1. Die Kartoffeln kochen, abschütten und mit den anderen Zutaten stampfen. 

Anrichten

  1. Die Oktopus-Arme bei hoher Hitze kurz und kräftig grillen, alternativ scharf anbraten. Die Chorizo-Scheiben in etwas Olivenöl auslassen, dann aus der Pfanne nehmen und auf etwas Küchenpapier entfetten. In dem Öl die Bohnen und die Oliven erwärmen. Bohnen und Oliven mit der Vinaigrette mischen, dann das Ganze auf einem runden Teller anrichten und mit Fenchel, Erbse und Sauerampfer garnieren. 


Dazu passt…

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Friedrich Becker – Spätburgunder B 2013

„Red wine with fish. Well that should have told me something“ hat James Bond mal gesagt und damit gemeint, dass sein Gegenüber ein unkultivierter und damit schlechter Mensch sei. Das ist natürlich grob vereinfachend und in seiner absoluten Anspruch auch nicht ganz richtig. Insbesondere zu rustikalen Angelegenheiten aus dem Meer, wie dieser hier, passen nämlich Rotweine ziemlich gut, insbesondere wenn es sich um Spätburgunder handelt. Dieser hier, der Spätburgunder B von Becker, gehört für mich zu den besten seiner Kampfklasse und braucht immer ein bißchen Zeit. Wenn also bei einem Händler ein älterer Jahrgang verfügbar sein sollte, umso besser.
Der Wein hat ausreichend Kraft, um gegen die rustikal-intensiven Aromen des Gerichtes anzukommen und eine erfreuliche Säure, die für perfekten Trinkfluss sorgt. Der Preis liegt bei um die 16€.
Selbst die „kleinen“ Spätburgunder von Becker werden übrigens über mehrere Tage immer besser. Es lohnt sich also, eine Flasche zu öffnen und zu „Bildungs-Zwecken“ über mehrere Tage zu verfolgen.

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5 Comments

  • Reply
    Fabian - In die Küche. Fertig, los!
    26. Juli 2017 at 16:21

    Das erinnert mich daran, das ich auch mal wieder Pulpo zubereiten sollte/wollte.
    Gab es letztes mal – lustigerweise ebenfalls mit Chorizo 😀 (und Quinoa Salat)
    Hab da auch sehr gute Erfahrungen mit gemacht, den Pulpo SV zu garen.

    Bzgl. Seezunge & Filet: Ich finde man kann das durchaus machen – es ist alles eine Frage der Zeit.
    Wenn ich mein Filet 8 Stunden SV gare, wird es mit Sicherheit einfach nur weich. Was Du zu recht kritisiert.
    Bei 30-45 Minuten wird das Ergebnis hingegen ein ganz anderes sein.

    Ich wünsch dir auf jeden Fall viel Spaß beim experimentieren mit dem neuen Equipment. Ich denke es hat sich gelohnt. Allein ein Vakuumierer ist für die Vorratshaltung Gold wert! 😉

    Viele Grüße,
    Fabian

    • Reply
      Oliver
      27. Juli 2017 at 13:49

      Hi Fabian,
      ich werde Seezunge und Filet auf jeden Fall mal ausprobieren, vielleicht liege ich ja mit meinen bisherigen Annahmen auch falsch.
      Nutzt Du den Vakuumierer zur Vorratshaltung „nur“ zum Einfrieren oder machst Du noch mehr damit?
      Herzliche Grüße,
      Oliver

      • Reply
        Fabian - In die Küche. Fertig, los!
        2. August 2017 at 16:30

        Abgesehen von diverse sous-vide Gerichten und Vorratshaltung?
        Jaein 😉
        Ich hab mal probiert ihn zu nutzen um Luftbläschen aus Flüssigkeiten zu ziehen. Das hat aber nicht geklappt bei meinen Versuchen (Tupperdose in Vakuum-Beutel gestellt)
        Es gibt allerdings auch extra so Vakuum-Dosen die man direkt an den Vakuumierer anschließen kann.
        Wirklich gebraucht hab ich die aber noch nicht, daher nie gekauft.
        Ist aber vielleicht ganz nett zum marinieren.

        Beste Grüße,
        Fabian

  • Reply
    Evelyn Weber-Jentsch
    28. Juli 2017 at 16:31

    Hallo Oliver, auch wenn ich keinen Oktopus mag, habe ich Deinen Artikel mal wieder mit großem Vergnügen gelesen, Evelyn

    • Reply
      Oliver
      28. Juli 2017 at 21:29

      Liebe Evelyn,
      das freut mich sehr. Ich hoffe, wir sehen uns bald mal wieder.
      Herzliche Grüße in den Norden,
      Oliver

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